Brief 104: Von einer, die die Stimme verlor und schreibend aufblühte, u.a. in unserem Journal Writing Methoden Lehrgang

Liebe Schreibende,

Die Studentin Nora Sophie Aigner hat mit 21 Jahren plötzlich und dauerhaft ihre Stimme verloren. Schrecklich, kaum vorstellbar, unheimlich… und doch, wenn ich sie erlebe, wie sie im Laufe der Zeit Wege gefunden hat, medizinische Hilfe für eine extrem seltene Krankheit zu finden, dann bin ich nur voller Bewunderung und Freude!  Nora hat durch das Schreiben einen neuen Weg zu kommunizieren gefunden und diese massive Krise zu bewältigen und ja, zu transformieren. Wir im writers´studio freuen uns riesig mit Nora, dass sie nun, nach sieben Jahren, wieder halbwegs sprechen kann und ihr erstes Buch „Stimme der Hoffnung veröffentlicht. Ich habe mit ihr, der Absolventin unseres Lehrgangs „Journal Writing Methoden: Selbstheilung fördern durch Schreiben — die innovative Weiterbildung“ und mehrerer anderer Schreibseminare im writers´studio, ein Interview geführt (unten).

Nora Sophie erzählt z.B. darüber, wie entscheidend es für sie war, das „Tagebuchschreiben“, also das autobiographische und reflektive Schreiben über ihre schwierige Situation in einem professionellen Setting und in stärkenden Gruppen durchzuführen. Um sich nicht schreibend im Trauma zu verlieren. Genau darum geht es in unserem Lehrgang: Wie und wodurch wird reflektives Schreiben heilsam? Und wie genau kann eine Seminarleiterin, Therapeutin, Coach „Journal Writing“ anleiten und inspirieren, so dass es transformierend ist?

Geleitet wird der Lehrgang von unserer wunderbaren Dr. Birgit Schreiber aus Bremen. Hurray, sie hat soeben ihr neues Buch publiziert: „Wohlschreiben: 52 Impulse für ein Leben, das sich echt anfühlt“. Also, unten findest du zu gleich zwei Einladungen zu Buchpräsentationen aus dem Kontext des writers´studio! Und zum nächsten Lehrgangs-Infoabend. Doch zuerst mal Nora Sophies Geschichte, wie das Schreiben ihr eine neue Stimme gab.

Judith: Liebe Nora Sophie, du hast deine Geschichte so eindrucksvoll und inspirierend in einem TED-Talk erzählt . Magst du uns ganz kurz von deiner Krankheit erzählen und wie es dir zur Zeit geht? Wie schaut dein Leben im Moment so aus? 

Nora Sophie: Also mein Alltag besteht zu einem großen Teil noch immer aus Therapien, ich bin seit sieben Jahren den halben Tag damit beschäftigt, die neurologischen Probleme meiner Erkrankung – „Eagle Syndrom“ – in den Griff zu bekommen. Sie verursacht ständig Nervenschmerzen, Schluckprobleme und Krämpfe im Kopf und Gesicht. Ich muss bald wieder nach Deutschland zu einer weiteren Schädeloperation. Aber ich bin schon dankbar, zumindest wieder sprechen zu können, denn meine Stimme war über Jahre hin geschädigt. So kam ich auch zum Schreiben.

Klingt heftig! Welche Strategien hast du gefunden, um mit dieser schwierigen Lebenssituation umzugehen und wann kam das Schreiben ins Spiel?

Nora Sophie: Das Schreiben kam zufällig ins Spiel. Ich habe notgedrungen immer Stift und Papier dabei gehabt, egal wo ich war, weil ich damit kommuniziert habe. Schreiben war meine Ersatz-Stimme. Ich war sehr oft im Spital und auch in Kliniken im Ausland, immer allein. Was mir dort passiert ist, konnte ich nie jemandem mitteilen. So hab ich irgendwann begonnen, Listen anzulegen, um zu notieren, wem ich was sagen muss. Ich habe nie aufgehört zu glauben, dass ich meine Stimme wieder zurückbekomme. Eines Tages kam ich zurück von einem medizinischen Aufenthalt in Hamburg und habe in einem Engelsratgeber geblättert, da stand: „Schreib“. Also habe ich das getan und plötzlich entstanden Reime auf dem Papier. Es begann zu fließen und hat mir große Freude gemacht – ich war so lebendig beim Schreiben.  Obwohl es eine Flucht aus der Realität war, war ich viel mehr am Leben als sonst.

Ich kenne das auch. Manchmal ist es am besten und so heilsam schreibend in andere Welten einzutreten. Was schreibst du so?

Nora Sophie: Ich schreibe hauptsächlich Poetry, Balladen, Märchen, am liebsten alles, was sich reimt. Ich habe mich auch in Kurzgeschichten versucht, auch auf Inspiration von Ana Znidar und den tollen Workshops im writers´studio.  Zwei davon wurden in Anthologien in Deutschland veröffentlicht. Fun fact: Meine 2. Kurzgeschichte hab ich nach dem Short Story-Workshop im writers studio eingereicht und daraufhin bei einem Wettbewerb den 2. Platz bekommen. Ich schreib auch ab und an Artikel für ein Inklusionsmagazin.

Gratuliere zu dieser rasanten Entwicklung als Autorin! Welche Kurse im writers´studio haben dir besonders viel gebracht?

Nora Sophie: „Mindwriting zum Jahreswechsel“ bei dir hat mir großen Spaß gemacht, meine Vision Boards und Collagen haben mich lange begleitet und mir erlaubt, spielerisch mit Sprache umzugehen. Diesen Ansatz finde ich generell fein am writers´studio – dass man so ungezwungen ans Schreiben herangeht.

Was würdest du anderen empfehlen, die mit schweren Krankheiten kämpfen und sich für Kreativität als eine coping strategy interessieren?

Nora Sophie: Als coping strategy finde ich Schreiben nützlich, aber gerade, wenn man Autobiografisches verarbeiten möchte, empfiehlt es sich, das in einem professionellen Setting zu tun – ich hab mich da anfangs zum Teil schreibend in schlimmen Episoden meines Lebens verloren. Ich hatte mich zum Niederschreiben all dieser traumatischen Situationen gezwungen, weil ich dachte, ich muss es im Tagebuch loswerden, das waren zum Teil harte Stunden. Im „Journal Writing Methoden Lehrgang“ habe ich dann gelernt, dass es gewisse Regeln gibt, um erlebte Traumata beim Schreiben richtig zu verarbeiten. Eine Gruppe, in der du aufgefangen wirst, ist auch sehr heilsam. Wir lernten uns zu öffnen und profitierten von den Lebens- und Schreiberfahrungen der anderen.

Wie kam es zu deinem Gedichteband „Stimme der Hoffnung“?

Nora Sophie: Die Gedichte sind zufällig entstanden, ich habe sie im Laufe der Jahre meiner Erkrankung geschrieben. Aus der Summe entstand plötzlich ein Buchmanuskript. Ich habe bei ein paar Verlagen nachgefragt, ob Interesse bestünde. Niemand interessiert sich für Lyrik, hieß es. Später habe ich Dr. Franz Joseph Huainigg getroffen – Autor und Behindertensprecher, er las ein paar meiner Texte und meinte, er kenne einen Verlag, zu dem ich passen würde, den „Verlag der Provinz“ https://www.bibliothekderprovinz.at/buch/8103/. Lustigerweise ein Verlag aus meiner Heimat im Waldviertel, wo ich recht idyllisch mit Pferden und so in der Natur aufgewachsen bin. Der Verlag gab mir eine Chance. Mit der Veröffentlichung ging ein schon vergessener Traum in Erfüllung – ich kam erst durch die Krankheit wieder(!) zum Schreiben, denn ich wollte als Kind unbedingt ein Buch schreiben – hatte das aber zwischenzeitlich an der Schule und Uni vergessen bzw. verlernt. Ich hoffe, dass mein Buch auch anderen Mut machen kann, aus schwierigen Zeiten etwas Gutes zu machen, trotzdem seinen Träumen nachzugehen und immer die Hoffnung zu bewahren. 

Ja! Diesen Hinweis brauchen wir gerade alle: auch in schwierigen Zeiten die Hoffnung und Träume nicht aufzugeben. Am 16. November findet deine Buchvorstellung in einem schönen Wiener Kaffeehaus statt…

Nora Sophie: Ja genau, die Buchvorstellung im Cafe Prückel wird recht gemütlich ablaufen. Cesar Sampson hat mir bei meinem Hilfeaufruf auf youtube #voicefornora seine Stimme geliehen und wird diesmal singen. Freunde von mir werden musizieren. Ich werde ein bisschen aus meinem Buch lesen und mich riesig freuen, dass ich das diesmal selbst tun kann! Denn ganz oft in den writer´studio-Kursen war das nicht möglich. Andere Teilnehmerinnen haben freundlicherweise das Vorlesen meiner Texte für mich übernommen.

Am 24 Nov. beginnt ein neuer Lehrgang Journal Writing Methoden. Wem würdest du ihn empfehlen?

Nora Sophie: Für mich war der Journal Writing Methoden-Lehrgang intensiv und lehrreich. Im Lehrgang lernt man primär, sich selbst in schwierigen Situationen mittels Schreiben zu helfen und wie dies anderen beigebracht werden kann. Ich lege ihn jenen ans Herz, die ans Eingemachte gehen und ihre eigene Seele erforschen wollen, denn der Lehrgang wirft viele Fragen und Themen auf. Doch Birgit Schreiber leitet ihn auf eine so einfühlsame und professionelle Art – da fühlen sich alle gut aufgehoben. 

Danke, liebe Nora Sophie, alles Gute für all deine nächsten Schreibprojekte und deine Gesundheit!

Hier noch die wichtigen – kostenlosen – Termine für euch:

  • Buchpräsentation „Stimme der Hoffnung“ von Nora Sophie am Mi, 16. November, 19:30 Uhr  im Cafe Prückl in Wien
  • Buchpräsentation von „Wohlschreiben“ von Birgit Schreiber am Mo, 28. November, 18 Uhr im Café Museum in Wien
  • Zoom-Infoabend zu Lehrgang „Journal Writing Methoden“ am Do, 10. November 2022 um 19 Uhr (Zoom)

Also, auch in schwierigen Zeiten: Keep your pen on the paper and your head in the stars!
Auf bald,
Judith Wolfsberger

PS: Auch unsere anderen 1-jährigen Lehrgängen Passion Writing (Infoabend heute!) und Schreibkompetenz fürs Business starten Ende November. Alle Infoabende und Info-Videos findet ihr hier auf unserer Website! Achtung: alle, die zu den Lehrgangs-Infoabenden kommen erhalten noch den Frühbucherpreis! Hurry up!

Bild: Ida Räther

 

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