Brief 97 : Warten bis der Frieden kommt

Liebe Schreibende,

„Warten bis der Frieden kommt“ hieß eines meiner liebsten Jugendbücher, eigentlich ein verstecktes „Memoir“ oder wie man heute im deutschsprachigen Raum neuerdings sagt, eine „Autofiktion“. Judith Kerr musste als Kind 1933 mit ihrer Familie vor den Nazis von Berlin über die Schweiz und Frankreich nach London flüchten. Sie ist ihr Leben lang dort geblieben mit all den Wunden und Verwunderungen, zeichnend und später schreibend hat sie ihren Weg gefunden. Ihre autobiographische Trilogie – „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“, „Warten bis der Frieden kommt“ und „Eine Art Familientreffen“ – hat mich durch meine Jugend begleitet, war ein authentischer, berührender und auch inspirierender Beginn meiner lebenslangen Auseinandersetzung mit der Geschichte des NS-Regimes und seinen Folgen.

Für mich waren immer schon Kunst und Literatur der passendste Weg, sich mit Geschichte, erst recht mit Krieg und Trauma, auseinanderzusetzen.Romane wie „Die Welt von gestern“ von Stefan Zweig und „La Storia“ von Elsa Morante brachten mich – zu meiner eigenen Überraschung – dazu, Geschichte zu studieren. Und am Ende des Studiums schrieb ich meine Diplomarbeit über Erzählformen von Geschichte: Wer erzählt welche Geschichte wann, warum und wie? Als Roman? Als Fachbuch? Als Memoir? Als Film?

Jetzt sind wir aber noch mittendrin, jetzt wissen wir nicht, wie wir einmal schreiben und denken werden über diesen neuen Krieg in Europa, der wieder Kinder in die Flucht treibt. Jetzt sind wir mittendrin in Krieg und Pandemie und es ist alles kaum auszuhalten.

Als Judith Kerr als Jugendliche in London als Kriegsflüchtling lebte, begann sie zu zeichnen. Die Szene im Buch – in der Neuauflage jetzt sogar am Cover! – , in der sie beschließt, eine Mappe mit ihren Zeichnungen in eine Kunstschule zu tragen und sich dort zu bewerben, hat sich in mir eingeprägt wie kaum etwas. Als großer Traum. Ich habe in meinem Memoir „Schafft euch Schreibräume!“ darüber geschrieben, wie mich – lange Zeit unbewusst – diese Szene begleitet hat. Und inspiriert. Bis ich selbst – spät aber doch – mit einer Mappe unterm Arm durch die Stadt – mal Wien, mal New York – fuhr in eine Kunstschule. Gute autobiographische Literatur/Memoirs/Autofiktion tun nämlich genau das: Sie machen auf, sie zeigen, wo ein Spalt ist, durch den Licht reinkommt. „There is a crack in everything where the light comes in” singt Leonard Cohen. Ich hab das Gefühl, wir können im Moment nicht sehr viel mehr tun außer spenden und warten bis der Frieden kommt … und währenddessen Zeichnen, Schreiben, Klecksen, Kleben…

In diesem Sinne möchte ich euch unsere Frühlingsseminare ans Herz legen:
Roman/Krimi entwickeln
Flash Fiction
Visual Diary
Humor Writing
Journalistisches Schreiben
Personal Essay
Collage Dream Writing
Creative Blog
Als Erwachsene wurde Judith Kerr gefeierte Autorin und Illustratorin. Und kehrte nur selten in ihr Geburtsland zurück. Wie Terror, Krieg und Flucht Herzen brechen und Lebensläufe – oft über Generationen – verkomplizieren, daran denk ich nun wieder oft …

Soeben hab ich entdeckt, dass es eine Biographie gibt über Judith Kerr, die Teil meiner Ahninnen-Galerie ist, wie wir sie in Bas Workshop „Let´s do HerStory“ entwickelt haben. Wer sind deine Ahninnen für Schreiben und andere kreative Tätigkeiten?

Liebe Grüße aus den wunderbaren neuen Räumen* des writers’studio mit Blick hinunter auf den Wienfluss
Judith

*PS: Anlässlich unseres 20-jährigen Jubiläums planen wir für August 2022 eine 20-tägige Writers‘ Residency im writers’studio.. dazu bald mehr…

PPS: Hat das writers´studio dein Leben verändert? Wenn ja, erzähl uns deine Geschichte und schreib dazu, ob wir (auf Rückfrage) Auszüge daraus für unser Marketing zu 20 Jahre writers´ studio verwenden dürfen. Bitte senden an marketing@writersstudio.at. Wir sind gespannt!

 

AKTUELL IM WRITERS´STUDIO

1. Restplätze April & Mai

  • Writers Tricks – In den Schreibfluss eintauchen & schriftlichen Ausdruck stärken, Start: 11. April oder 3. Mai oder 12. Mai
  • Roman/Krimi entwickeln – Mit Cliffhanger, rotem Hering & Co Spannung aufbauen, Start: 11. April
  • Flash Fiction – So kurz wie möglich – so lang wie nötig, Start: 11. April
  • Journal to the Self – 18 Methoden für mehr Abwechslung, Tiefe und Perspektive im täglichen Schreiben nach Kathleen Adams, Center for Journal Therapy, Denver, USA Start: 21. April
  • Visual Diary – Spielerisches visuelles Gestalten im Journal als Türöffner & Vertiefung, Start: 28. April
  • Personal Essay – Feuer im Herzen & scharfe Argumente, Start: 6. Mai
  • Sei Heldin – Finde heraus, welche Abenteuer das Leben für dich parat hat, Start: 7. Mai
  • Travel Writing – Reiseberichte für Zeitschriften schreiben und starke Settings für Geschichten erschaffen, Start: 13. Mai
  • Life Writing – Einstieg ins Schreiben über das eigene Leben, Start: 14. Mai
  • Professionelle Artikel für Print- oder Online-Medien – 1×1 des journalistischen Schreibens für Nicht-Journalist*innen, Start: 17. Mai
  • Creative Blog – Sprachliche Spielwiese, Befindlichkeitsventil & strategisch ausgefuchste Werbung, Start: 24. Mai
  • Humor Writing – Die Kunst aus Alltäglichem Abgründiges zu machen, Start: 26. Mai

2. Vorschau für TIP-Absolvent*innen

3. Kostenlose Infotermine & Infoabende

4. Schreibtreffs