Brief 54: Braucht es noch mehr SchreibtrainerInnen? Sigmund hätt´sei´ Freud´

Dear writers,

Harald Geisler 1im Oktober startet wieder unsere SchreibtrainerInnen-Ausbildung „Training in Progress“ (TIP). Diesmal mit reisefreundlichen Blöcken, neuen Auswahlmodulen und mehr TrainerInnen. Ein paar Plätze sind noch frei. Doch ich möchte Euch nicht volllabern mit organisatorischen Infos, die bekommt Ihr auf unserer Website bzw. beim Infoabend am Do, 8. Sept.

Vielmehr möchte ich Euch ein Erfolgsprojekt vorstellen: Die TIP-AbsolventInnen Anna Laduner, Eva Karel und Johanna Vedral etablieren seit zwei Jahren an der Sigmund Freud-Privatuniversität Wien (SFU) innovative Schreiblehre. Alle drei halten dort im Fach Psychologie zweisemestrige Proseminare zu wissenschaftlichem Schreiben. Dabei kooperieren sie als Lehrende eng, tauschen Methoden, Erfahrungen und Unterlagen aus. So gibt es an der SFU nun eine inoffizielle Abteilung für Schreiblehre. Sigmund hätt´ sei´ Freud´!

Parallel dazu unterrichten die drei an diversen anderen Universitäten /Fachhochschulen und Weiterbildungsinstitutionen. Also die Schreiblehre boomt… Hier ein Gespräch mit Anna, Eva & Johanna. Warum es noch mehr SchreibtrainerInnen braucht.

Wie kam es zu Euren Lehraufträgen an der „Sigmund Freud Privat-Universität“?

Eva KarelEva: Ich habe auf einer WG-Party ebenso betrunken wie enthusiastisch von meiner Schreibtrainerinnenausbildung erzählt und dass ich gerade eine Schreibwerkstatt für Abschlussarbeiten auf der „Internationalen Entwicklung“ aufbaue. Eine der Partygenossinnen erzählte das ihrem Partner, der an der SFU lehrt, welcher mich beim nächsten freiwerdenden Posten anrief. Nix Bewerbungen schreiben oder so :-). Und dann wurden es immer mehr Aufträge, so dass ich meine KollegInnen aus dem TIP mit ins Boot holte.
Johanna: Merci, Eva.
Anna: Es ist super, die SFU-LVs als Team zu gestalten!

Was unterrichtet Ihr genau, mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten?
Harald Geisler 2Eva: Wir halten alle 3 im Studium Psychologie die Proseminare „Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten“ und „Einführung in das wissenschaftliche Schreiben“ (je 3 Wochenstunden). Schon im 1. Semester geht es nicht nur um Recherchieren, Zitieren, den Umgang mit wissenschaftlichen Textsorten, sondern auch um die 5 Phasen des Schreibens. Wir setzen da schon Creative Writing ein. Im 2. Semester wird das Verfassen einer wissenschaftlichen Proseminararbeit in sämtlichen Schritten gemeinsam durchlaufen und mittels Methoden des „Creative Writing“ und stärkenden Textfeedbackrunden unterstützt. Am Ende des Semesters halten Studierende ihre erste Proseminararbeit in Händen und haben das Rüstzeug für alle weiteren Textprojekte innerhalb des Studiums erlernt.

Wie sind Eure Eindrücke von so einer intensiven Schreib-Lehre innerhalb eines Fachs?
Johanna VedralJohanna:
50 Stunden Unterrichtszeit, viele Hausübungen, eine Prüfung und eine 10-seitige Proseminararbeit sind schon intensiv. Gleichzeitig ist es wenig Zeit für das Grundhandwerk. Die Studis brauchen gerade zu Studienbeginn dringend eine brauchbare Perspektive auf das viele neue Wissen, eine Orientierung im Fach, ein Bewusstsein dafür, dass sie jetzt eine „Fremdsprache“ lernen. Die Fremdsprache „wissenschaftliches Schreiben, Recherchieren & Lesen“. Das ist ein langer Prozess, der viel Übung braucht!
Ich möchte den Studis das Grundhandwerk fürs Studium und fürs AkademikerInnenleben vermitteln, d.h. Schreibdenken, Schreiben als
Prozess, aktives Lesen
, Verstehen, wie wissenschaftliche Texte aufgebaut sind, Bibliotheken nutzen, online Recherchieren, relevante Informationen finden, Fragen stellen, Peerfeedback und ein G´spür für den PsychologInnen-Jargon.

Was hat Euch überrascht?
Eva: Für mich war das Etablieren schriftlicher, persönlicher Reflexionen am Ende der Einheiten ein Durchbruch. Die Studis beschäftigten sich dadurch auf persönlicher Ebene mit den Lehrinhalten, konnten mit mir kommunizieren und ich als Lehrende wusste stets, wie es der Gruppe geht, was sie bereits verstanden haben, worauf ich noch näher eingehen sollte. Am meisten verblüfft hat mich, wie sehr alle auf die Morgenseiten, mit denen ich jede Einheit beginne, abfahren.
Johanna: Mich hat überrascht, dass ich in meinem ersten Durchgang doch 20 % der Studis guten Gewissens mit „Sehr gut“ benoten konnte, weil sie sich in diesem Jahr das Grundhandwerk gründlich angeeignet haben und bereits leserfreundliche Texte im PsychologInnenjargon verfassen konnten!

Wie seht Ihr die Entwicklung der Schreiblehre in Ö. an Unis/ FHs?
Anna LadurnerEva: Ich erlebe eine extrem rege Nachfrage! In letzter Zeit habe ich viele Aufträge an Kolleginnen weitergegeben, weil ich einfach ausgebucht bin.
Johanna: Erfreulicherweise treiben immer mehr Unis/FHs Finanzierungen für die Schreiblehre auf und implementieren diese.

In Deutschland boomt die Schreiblehre an Unis. Wie schaut das in Österreich aus? Braucht es noch mehr SchreibtrainerInnen?
Johanna:
Ja!
Eva: Fix! Mir scheint, die Nachfrage explodiert. Allerdings sollte man wirklich für die Thematik brennen, um sie gut unterrichten zu können.
Anna: Ich glaube auch, dass es noch mehr SchreibtrainerInnen braucht. Auch für‘s Schreiben im beruflichen Bereich.

Ihr habt ja alle 3 selbst den TIP-Lehrgang besucht? Was daran, war für Euch im Nachhinein gesehen das wichtigste?
Johanna:
Netzwerk, Community of Writing Teachers, das Grundhandwerk der prozessorientierten Schreibdidaktik…
Eva: Ja, genau das! Ich genoss einfach den Luxus, 1 Jahr lang 1x monatlich fix fürs Schreiben reserviert zu haben und Literatur übers Schreiben aufzusaugen und zu besprechen. Extrem hilfreich war dann aber die Praxis, viele Male das „Frei geschrieben“-Seminar zu halten. Da bin ich über die Jahre viel besser geworden. An dieser Stelle: DANKE für dein Vertrauen, Judith, mir dieses Seminar anzuvertrauen!
Anna: Ich habe eine fundierte Ausbildung als Schreibtrainerin erhalten. Also das technische Rüstzeug, das man braucht, um im dem Bereich aktiv zu werden. Gleichzeitig bin ich in einer Zeit, in der mein eigenes Schreiben brach lag, wieder zur Schreiberin geworden und konnte mich mit anderen SchreibenthusiastInnen austauschen. Und wie man sieht, sind die Netzwerke und Freundschaften aus dieser Zeit heute lebendiger denn je. ;-)

Ihr werdet ab Herbst auch alle 3 in der TrainerInnen-Ausbildung des writers´studio einzelne Module halten. Was ist Euch wichtig, den TeilnehmerInnen zu vermitteln?
Johanna: Mut, Begeisterung, Einblicke in die Praxis als Trainerin und Coach, auch eine Reflexion des Selbstverständnisses und das Know-how für den Sprung in die Selbstständigkeit als SchreibtrainerIn.
Eva: Begeisterung steckt an – und begeistert bin ich bis über beide Ohren. V.a. der behutsame Umgang miteinander, der im TIP„gepredigt“ und gelebt wird, ist mir so wichtig. Weil ich das Gefühl hab, die Leute nicht nur beim Schreiben zu unterstützen, sondern soviel Persönliches durch das Schreiben im geschützten Rahmen in Gang kommt.Ich möchte auch viel aus dem Nähkästchen plaudern, wie ich mit „schwierigen“ Studis umgehe oder was ich bei Lampenfieber mache.
Anna: Im Wahlmodul “Creative Writing Tools fürGruppen“ möchte ich zeigen, welche Möglichkeiten creative Schreibübungen in verschiedenen Kontexten eröffnen: in wissenschaftlichen Seminaren, in Jugendgruppen, in Business-Seminaren etc. Gleichzeitig erleben die TeilnehmerInnen in der Einheit, wie „selbstgesteuertes Lernen“ funktionieren kann.

Judith: Ich freue mich auch schon auf die nächste TIP-Gruppe! Danke euch dreie, und allen anderen TIP-AbsolventInnen, die auf so freundliche und kreative Weise wissenschaftliches Schreiben an Studis vermitteln. Da können wir stolz auf uns sein!

Harald Geisler 3Ich wünsche noch allen einen sonnigen August, an dessen Ende in jedem Fall der neue writers`letter im Postkasten sein wird. Mit einer dringlichen Ansprache von Eva Karel zu „Friendly Feedback“

Eure
Judith Wolfsberger

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PS: Save the date: Open House am Fr, 23. & Sa, 24. Sept. 2016, 2 Tage lang kostenlose Kurzworkshops.

PPS: Der Kurzkrimi-Schreibwettbewerb „Tatort Grätzl“ des Vor-Magazin & Wiener Bezirksblatt findet in Kooperation mit dem writers´studio statt. Einsendeschluss: 15. September 2016.

PPPS: Die Fotos von Sigmund Freud´s Handschrift stammen von Harald Geisler. Er hat einen Computer-Font aus Freuds Handschrift entwickelt! Sehr cool.

AKTUELL IM WRITERS´STUDIO

1. Restplätze
Pressemeldungen texten: Wie Sie Ihre Inhalte professionell für Redaktionen aufbereiten, Start: 1. Sept.
Frei Geschrieben: Studium abschließen mit Schwung & Strategie, Intensivkurs. Start: 2. Sept.
Roman/Krimi schreiben: Mit Cliffhanger, roten Hering & Co Spannung entwickeln. Start: 12. Okt.
1×1 des journalistischen Schreibens für Nicht-JournalistInnen: Artikel schreiben für allerlei Zwecke & verstehen wie Medien ticken. Start: 18. Okt. (Achtung das nächste offene Seminar findet erst im Herbst 2017 statt.)
Marketingtexte für Web, Flyer & Co: Mit Spannung und persönlicher Note punkten. Start: 3. Nov.

2. Kostenlose Infoabende
Do, 8. Sept.: Infoabend zum 1-jährigen Lehrgang „SchreibtrainerIn werden: Training in Progress (TIP) –Achtung: Voraussetzung für TIP ist der vorherige Besuch von Writers´ Tricks oder Frei geschrieben.
Fr, 23. & Sa, 24. Sept.: Open House. 2 Tage lang kostenlose Kurzworkshops
So, 25. Sept.: GRATIS Schreibnachmittag für Jugendliche
Mi, 28. Sept.: Infoabend zu den Seminaren aus dem Bereich Passion Writing
Fr, 30. Sept.: Infoabend zu den Intensiv-Lehrgängen „Passion Writing“ & „Texten im Beruf“
Fr, 21. Okt.: Infoabend zu den Seminaren aus dem Bereich Writing for your Profession

3. Jede Woche ein Schreibtreff im writers´studio:
Schreibnacht: Jeden 1. Freitag im Monat.
1-Day Retreat mit Frühstück: Jeden 2. Montag im Monat.
Schreib-Fabrik mit Friendly Feedback: Jeden 3. Montag im Monat.
Schreib-Café mit Easy Yoga: Jeden 4. Donnerstag im Monat.

Fotocredits: 1/3/6 Harald Geisler, Portraits: Eva Karel, Johanna Vedral, Anna Ladurner